Kraft ist nicht gleich Kraft. Wer regelmäßig trainiert, wird stärker, doch was genau ist Kraft überhaupt? Im Muskelaufbau ist sie nötig, um schwere Gewichte einmal zu bewältigen oder leichte mehrmals zu stemmen – aber bedürfen beide Vorgänge derselben Kraftart?Wir unterscheiden in vier verschiedene Arten.
Im Physikunterricht hast du gelernt, dass Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung ist. Im Muskelaufbau ist das Ganze ein wenig komplizierter. Mithilfe der Muskulatur ist dein Körper in der Lage, Kraft zu entwickeln und so Arbeit zu verrichten, z. B. einen Löffel zu halten, einen Ball zu werfen oder eine Hantel zu heben. Dabei bedient er sich der Energie, die du bei der Ernährung aufnimmst. Durch regelmäßiges Training, mit stetig wachsendem Widerstand, kannst du die Kraft deines Körpers kontinuierlich steigern, da sich deine Muskulatur an die immer höhere Belastung anpasst. Ein trainierter Radsportler kann deshalb stundenlang in die Pedale treten, ein Gewichtheber 400 Kilo Bankdrücken. Und umgekehrt? Der Gewichtheber würde auf dem Drahtesel bereits nach wenigen Minuten aufgeben müssen und der Radsportler unter dem Gewicht einer 400-Kilo-Hantel vermutlich sofort zusammenbrechen. Warum ist das so? Ganz einfach: Beide haben verschiedene Arten von Kraft trainiert.
Die Sportwissenschaft unterteilt den Begriff „Kraft“ in vier verschiedene komplexe Fähigkeiten: die Maximalkraft und die Schnellkraft, die beide z. B. einem Gewichtheber zugute kommen, die Kraftausdauer, von der ein Radsportler profitiert, und die Reaktivkraft, die für Ballsportarten aber auch in der Leichtathletik oder im Kampfsport eine wichtige Rolle spielt. Welche Kraftart nun für welchem Sport sinnvoll ist, lässt sich nicht genau abgrenzen. So profitiert ein Fußballer zwar von der Reaktivkraft, benötigt für ein 90-minütiges Spiel aber auch jede Menge Kraftausdauer und für kraftvolle Schüsse eine gute Portion Schnellkraft. Ähnlich verhält es sich im Muskelaufbautraining. Dort sind Kraftzuwächse in der Regel ein sekundäres Nebenprodukt, im Vordergrund steht schnelles und symmetrisches Muskelwachstum. Das erfordert Widerstandstraining mit mehreren Wiederholungen, also Kraftausdauer. Dennoch ist es sinnvoll, ab und an Methoden des Maximal-, Reaktiv- oder Schnellkrafttrainings einzubauen, um für Abwechslung zu sorgen und neue Wachstumsreize zu schaffen.
Maximalkraft
Maximalkraft bezeichnet die größtmögliche Kraft, die dein Körper gegenüber einem Wiederstand aufbringen kann. Sie wird in der Sportwissenschaft auch als „Basiskraft“ bezeichnet, weil sie die Grundlage für die drei anderen Kraftarten bildet. Unterschieden wird in zwei verschiedene Arten, die statische (z. B. die Haltekraft) und die dynamische Maximalkraft. Beeinflusst wird sie zum einen durch deine genetische Veranlagung, dein Geschlecht und dein Alter – aber auch durch deinen Fitness-Level. Sie ist durch regelmäßiges Training also beeinflussbar. Trainiert wird im unteren Wiederholungsbereich (eine bis fünf pro Satz), mit hoher Explosivität und langen Pausen (drei bis fünf Minuten nach jedem Satz).
Schnellkraft
Während Maximalkrafttraining darauf abzielt ein möglichst hohes Gewicht bewältigen zu können, geht es beim Schnellkrafttraining darum, einen größtmöglichen Impuls zu erzeugen, eine Bewegung also so schnell und explosiv wie möglich auszuführen. So kann beispielsweise ein geworfener Ball maximal beschleunigt werden und deshalb so weit wie möglich fliegen. Man unterscheidet zwischen azyklischen (einmaligen) und zyklischen (mehrmaligen) Bewegungsimpulsen, vor allem letztere spielen für das Muskelaufbautraining eine Rolle. Trainiert wird mit acht bis 15 Wiederholungen und mittlerem Gewicht. Wichtig ist, dass der positive Teil der Bewegung so explosiv wie möglich ausgeführt wird, der negative Teil dagegen langsam. Die Grenzen zwischen zyklischer Schnellkraft und Reaktivkraft sind aufgrund der schnellen Bewegungsausführung fließend.
Reaktivkraft
Die Reaktivkraft spielt vor allem in der modernen Sportwissenschaft eine immer größere Rolle. Sie bezeichnet die Fähigkeit deiner Muskulatur während des Dehnens Energie zu speichern und bei der anschließenden Verkürzung wieder freizugeben. Klingt kompliziert? Ein Beispiel: Bei einem Hock-Streck-Sprung sinkst du in die Knie bis du eine hockende Position erreicht hast, dies ist die exzentrische (Dehnungs-) Phase. Sobald du die untere Position erreicht hast, explodierst du zu einem Strecksprung nach oben. Deine Muskeln haben zuvor einen Teil der Energie der Abwärtsbewegung gespeichert und erleichtern dir damit nun in der konzentrischen (Verkürzungs-) Phase den Absprung. Das Ergebnis: Du springst schneller und vermutlich auch höher. Das Beispiel lässt sich bequem auch auf das Muskelaufbautraining übertragen. Sogenannte plyometrische Work-outs und Body Weight Exercises (BEWs), also Trainingseinheiten mit dem eigenen Körpergewicht und impulsartiger Bewegungsausführung, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
Kraftausdauer
Wie der Name bereits vermuten lässt, soll mithilfe von Kraftausdauer eine hohe Kraftanstrengung über einen langen Zeitraum geleistet werden. Die Basis dafür bildet deine Maximalkraft, deren Potential du aber nur einmal oder einige wenige Male abrufen kannst, bevor dein Muskel ermüdet und wenig bis gar keine Leistung mehr erbringen kann. Kraftausdauertraining verschiebt diese Ermüdungsgrenze immer weiter nach hinten. Mit 15 bis 20 Wiederholungen pro Satz, gut der Hälfte deines Maximalgewichts, gleichmäßiger Ausführungsgeschwindigkeit und Pausen von maximal einer Minute bringst du deine Kraftausdauer schnell auf Vordermann. Eine große Rolle spielt Kraftausdauer in Ausdauersportarten wie dem Radsport, Laufsport, oder Schwimmen, kann aber auch im Muskelaufbau helfen, am Ende eines Satzes noch die eine oder andere Wiederholung herauszuholen.
Die vier Kraftarten im Muskelaufbau
Wie bereits angedeutet, kann es nicht schaden, ab und an von deiner althergebrachten Routine abzuweichen und etwas Abwechslung in den Trainingsplan zu bringen. Mit drei bis fünf Sätzen á sechs bis acht Wiederholungen wachsen deine Muckies am besten, aber große Muskelmasse aufbauen kannst du nur mit großen Gewichten. Steigere also deine Kraftwerte indem du z.B. eine Woche pro Monat dein Training auf Maximalkraft umstellst – davon wirst du anschließend profitieren, weil du deine sechs bis acht Wiederholungen dann mit ein paar Kilo mehr auf der Hantel absolvieren kannst.
Auch Reaktiv- und Schnellkraftübungen können dir helfen, Plateaus und Monotonie in deinen Work-outs zu überwinden, wieder Spaß am Training zu finden und letztlich neue Wachstumsreize für deine Muskulatur zu schaffen. Trainiere einen Tag in der Woche nur mit BWEs oder versuche, in deinen Bankdrück- und Kniebeuge-Einheiten auf etwas Gewicht zu verzichten und sie dafür so explosiv wie möglich zu absolvieren. Deine Muskeln werden es dir danken!
Der optimale Trainingszyklus
- 8 Wochen klassisches Muskelaufbautraining
- 6 Wochen Schnellkrafttraining/Maximalkrafttraining
- 4 Wochen Kraftausdauer-Training
- 2 Wochen plyometrisches Training
- 1 Woche Pause
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